Sebastian ist jetzt 29 Jahre alt und weiß, warum es für das Erlernen eines Instruments auch bis ins hohe Alter nicht zu spät ist, warum man es sich von niemandem ausreden lassen sollte und weshalb sich das autodidaktische Erlernen heute leichter gestaltet als jemals zuvor.
Es geht um Freude an der Musik.
Ich war lange Zeit jemand, der sich den bereits erwähnten Blödsinn eingeredet hat und teilweise wird einem dieser auch eingeredet. Denn leider – und das ist nicht nur meine persönliche Erfahrung – wird das Vorhaben, noch jenseits des Kindesalters ein Instrument spielen zu lernen, manchmal belächelt. Als hätte man automatisch vor Konzertmeister, Starpianist oder der nächste Jimmy Hendrix werden zu wollen.
Musik sollte in erster Linie ein erfüllendes Hobby sein, Freude bereiten und sich nicht wie ein Wettbewerb anfühlen. Solange sie dir Spaß und dich glücklich macht, hast du schon gewonnen.
Nichtsdestotrotz sind selbst Profi-Ambitionen nicht unrealistisch. Es wird nur sehr viel unwahrscheinlicher diese zu erreichen. Denn ausschlaggebender als das Alter sind die Übungsstunden. Wenn man schon früh beginnt hat man natürlich insgesamt gesehen mehr Zeit zu üben. Dazu kommen aber auch noch andere Faktoren wie z.B. Genetik (also musikalische Eltern) oder das Umfeld.
Ich selbst habe mir mit 16 das Gitarrespielen beigebracht und mit 26 neu angefangen Klavier zu lernen, nachdem ich als Kind keinerlei Motivation dazu hatte. Daraus ergibt sich sogar ein Vorteil am Erwachsenenalter: Man weiß, was man will und kann besser mit Frust umgehen.
Das Ding mit den Noten
Apropos Frust: Ich persönlich würde jedem Späteinsteiger ohne Vorkenntnisse davon abraten, direkt mit Noten zu beginnen. Es sei denn, man hat eine eiserne Geduld und sehr viel Zeit. Wenn man spät mit einem Instrument anfängt und keinerlei Vorkenntnisse hat, stellen Noten den größten Frustfaktor dar und führen somit häufig dazu, dass die anfängliche Euphorie sehr schnell wieder verfliegt.
Musik spielen zu können war früher in meinem Kopf immer unumstößlich an Noten geknüpft. Es gibt jedoch unzählige alternative Möglichkeiten und Systeme, die speziell für Notenanalphabeten konzipiert wurden – dazu später mehr. Wer also schnellstmöglich Fortschritte machen will, sollte (vorerst) einen Bogen um Noten machen und sich z.B. zu Beginn mit Akkorden vertraut machen.
Ich möchte trotzdem unbedingt betonen, dass das Lernen mit einem Lehrer dem Selbststudium deutlich überlegen ist. Ich wollte mir in erster Linie Vorkenntnisse aneignen, um im Musikunterricht nicht komplett von Null beginnen zu müssen.
Der Schlüssel zum Erfolg
Bei allen Fähigkeiten, die man sich aneignet, kommt es auf die Wiederholung an. Wie bereits erwähnt, sind die gesammelten Übungsstunden sehr entscheidend. Irgendwann läuft das Gelernte ganz automatisch ab. Stichwort: Muskelgedächtnis.
„Übung macht dein Meister!“ ist eben nicht nur so dahingesagt, sondern trifft es genau auf den Punkt. Wer dran bleibt wird belohnt und „Von nichts kommt nichts!“. Jeder, der wirklich Bock hat, findet auch die Zeit. „Ohne Fleiß kein… ok, lassen wir das.“
Zum Thema Übungszeit noch ein wichtiger Tipp: Regelmäßige, kurze Übungseinheiten sind effizienter als unregelmäßig sehr lange zu üben. Es bringt wenig, sich die Zähne auszubeißen, bis man komplett gefrustet ist. Lieber gut sein lassen und am nächsten Tag wieder ansetzen. Du wirst staunen, wie viel leichter dir etwas schon nach ein paar Tagen fallen wird, denn das Gehirn verarbeitet die Informationen im Schlaf und knüpft neue Verbindungen.
Nahezu unendliche Möglichkeiten
Wie angekündigt möchte ich nun ein paar Beispiele aufzeigen, was es heute für Möglichkeiten gibt, um sich ein Instrument selbst beizubringen.
YouTube
Es gibt wohl keine andere Plattform, die einen derart viel Material um die Ohren haut wie Youtube. Zu ziemlich jedem einigermaßen bekannten Lied findet man für verschiedene Instrumente irgendein Tutorial und es gibt unzählige Kanäle von Personen, die einem wertvolle Tipps an die Hand geben oder einem sogar ganze Lieder unter großem Aufwand Stück für Stück beibringen. Also einfach zuschauen, nachmachen und lernen.
App geht’s!
Mittlerweile gibt es einen sehr großen Markt für Musik-Apps, die speziell zum Erlernen bestimmter Instrumente konzipiert wurden. Am besten einfach mal das Instrument deiner Wahl als Suchbegriff im jeweiligen Store eingeben. Auch zum Notenlernen gibt es tolle Apps.
Gitarrentabs
Für die Gitarre gibt es die sogenannte Tabulatur. Eine bildhafte Notenschrift bei der die Linien die Saiten der Gitarre darstellen und die Zahlen angeben, an welchem Bund die Saite gedrückt werden soll. Es gibt verschiedene Portale im Internet, die eine riesige Auswahl an Tabs zur Verfügung stellen, welche sich sogar abspielen lassen. Die beiden größten:
Synthesia
Für das Klavier gibt es ein Programm namens Synthesia. Man kann damit Videos erstellen, in denen anhand von Balken dargestellt wird, welche Tasten auf der Klaviatur gedrückt werden müssen. Wenn man mit diesen Videos lernen möchte (Youtube ist voll damit), sollte man allerdings zuerst Grundlagen zum Fingersatz beherrschen, da man sich diesen selbst erarbeiten muss.
Griffschrift
Für die steirische Harmonika gibt es die sogenannte Griffschrift, welche ähnlich zu den Gitarrentabs speziell für das Lernen ohne Notenkenntnisse entwickelt wurde. Genauere Infos:
volksmusikschule.at/griffschriftlehre
Außergewöhnliche Instrumente
Es gibt auch Instrumente, die darauf ausgelegt sind, dass sie für jedermann sehr einfach zu erlernen sind, um somit z.B. auch Menschen mit Behinderungen die Freude am Musizieren zu ermöglichen.
Last but not least: Literatur
In dieser Liste darf Fachliteratur natürlich nicht fehlen. Ich möchte trotz der vielen wirklich großartigen digitalen Möglichkeiten und Innovationen dieses Medium nicht missen. Es gibt eine Menge guter Übungshefte und Lehrbücher, aus denen man vieles lernen kann.
Was Musik alles kann
Für alle, die noch nicht überzeugt sind, verlinke ich am Ende noch ein paar sehr interessante Artikel dazu, welche Kraft in der Musik steckt. Denn Musik macht nicht nur unheimlich viel Spaß, sie ist noch dazu gesund für Körper und Geist.
Macht der Musik (planet-wissen.de)
Die heilende Kraft der Musik (deutschlandfunkkultur.de)
Macht glücklich! Und gesund! Warum wir mehr singen sollten (br.de)
Warum wir mehr singen sollten (dak.de)
Für mich hat Musik auch einen meditativen Effekt. Schon allein die Möglichkeit zu haben, mich nach einem anstrengenden Tag ans Klavier setzen zu können, um für eine Weile der Welt zu entfliehen und meine Gedanken auszuschalten, gibt mir sehr viel. Musik hat etwas Magisches oder um Beethoven zu zitieren:
„Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie.“